Kanton GR: Zunehmende Wolfspräsenz stellt eine Herausforderung dar
VON belmedia Redaktion News Wildtiere
Die Erfahrungen in Graubünden zeigen im Jahr 2019 eine zunehmende Anzahl an Wölfen in allen Kantonsteilen, insbesondere in der Surselva. Leben mit dem Wolf stellt uns vor neuen Herausforderungen.
In der aktuellen Lage ist es wichtig, dass eine koordinierte Vorgehensweise angestrebt wird und eine gute Zusammenarbeit stattfindet. Die schwierige Situation in der Landwirtschaft betreffend Wolfspräsenz erfordert klare Regeln und wirft neue Fragen auf. An wen können sich direkt Betroffene wenden?
Welche Pflichten haben Alpverantwortliche und Alppersonal? Wem muss ein Wolfsriss gemeldet werden? Welche Massnahmen müssen ergriffen werden?
Für die Landwirtschaft bedeuten vorkommende Wölfe einen erheblichen Mehraufwand, ins- besondere beim Weide- und Sömmerungsbetrieb. Wölfe können auch einen Einfluss haben auf das Verhalten von Mutterkühen und weiteren Haustieren. Durch Wölfe verursachte Risse können überall im Kanton, auch ohne jede Vorwarnung, auftreten. Die Landwirtschaft hat bereits grosse Anstrengungen unternommen, um ihre Herden vor Wölfen zu schützen.
Die Rückkehr der Wölfe und aktuelle Lage in der Surselva
Bis im Jahr 2018 waren in der Surselva nur einzelne Wölfe zu beobachten. Dann wurde ein Wolfspaar mit 4 Welpen nördlich von Ilanz nachgewiesen, das Ringelspitzrudel.
Im Jahr 2019 gründete eine Fähe im Gebiet Obersaxen ein weiteres Rudel, das Valgrondarudel.
Ein drittes Rudel, das Beverinrudel hielt sich im Sommer 2019 im Raum Pitasch auf. Dieses Rudel lebt jedoch hauptsächlich im Gebiet Heinzenberg und Safiental.
Im Ringelspitzrudel leben nun zwei Elterntiere, eine Fähe aus dem Wurf von 2018 und vier Wölfe aus dem Wurf von 2019. Möglicherweise ist ein weiterer Rüde in der Nähe dieses Rudels. Im Valgrondarudel sind es zwei Elterntiere und zwei männliche Wölfe aus dem Wurf von 2019. In der oberen Surselva lebt ein weiteres Wolfspaar, welches mit grosser Wahrscheinlichkeit das nächste Wolfsrudel bilden wird. Um jedes Rudel herum gibt es Einzelwölfe. Beispielsweise hält sich ein Einzelwolf im Gebiet Val Lumnezia auf. Er lebte eine Zeitlang von Nachgeburten und jagte Rehe in Siedlungsnähe.
Dieser Jungwolf muss unbedingt anders „erzogen“ werden, da er sonst zu einem Problemwolf werden könnte.
Was können Landwirte tun, bezüglich dem bevorstehenden Weidegang bzw. der bevorstehenden Sömmerung?
Es ist grundsätzlich die Pflicht des Tierhalters dafür zu sorgen, dass es seinen Tieren gut geht. Die Landwirtschaft hat bereits grosse Anstrengungen unternommen, um ihre Herden vor Wölfen zu schützen. Mit Herdenschutzhunden bzw. funktionierenden elektrischen Zäunungen und terminierten Abkalbungen und entsprechendem Herdenmanagement lässt sich ein weitgehender Schutz der Herden erreichen. Es ist jedoch schwierig, auf allen Sömmerungsbetrieben einen permanenten Herdenschutz zu gewährleisten.
Zumindest sollte ein Notfallkonzept im Falle einer möglichen Wolfspräsenz vorhanden sein. Dabei geht es darum, nach einem Angriff in der Folge nachts alle Tiere elektrifiziert einzäunen zu können. Je nach Grossraubtierdruck sollte diese Massnahme mehrere Nächte am selben Ort umgesetzt werden können. Nach bisherigen Erfahrung bringen blinkende Lampen nicht den gewünschten Effekt, um Wölfe fern zu halten. Lappenzäune können als optische Barriere dienen. Diese Massnahmen haben sich als kurzfristige Maßnahme bewährt, bis die Herde wie oben be- schrieben nachhaltig geschützt werden kann.
Damit Nutztierrisse für die Beurteilung einer allfällig gerechtfertigten Abschussverfügung an- gerechnet werden können, müssen die Tiere mit Hilfe von Herdenschutzhunden oder rundherum geschlossen elektrifizierten Zäunen (Mindesthöhe 0.9m, Netz oder 5 Litzen) oder beidem geschützt sein.
Eine weitere Unterstützung bietet der Alpträcker, der auf Alpen im Urnerland, im Kanton Glarus und Oberwallis eingesetzt wird. Einer Anzahl Schafe, Ziegen oder Rinder wird ein Sender an einem Halsband montiert. Über das Handy kann jederzeit der Ort der Tiere abgerufen werden und ab einer bestimmten Bewegungsaktivität meldet sich das Handy. Es kann auch vom Handy aus die Zaunspannung geprüft werden und in Zukunft soll auch der Zaunapparat ein und ausgeschaltet werden können.
Und Rindviehhalter?
Wie das AJF bestätigen kann, beschränken sich Schäden bisher fast ausschliesslich auf kleine Wiederkäuer (Schafe, Ziegen)., vor allem bei vermehrter Rudelbildung von Wölfen oder bei entsprechendem Lernerfolg muss auch mit Angriffen auf Rindvieh gerechnet werden. Aufgrund ihrer Körpergrösse fallen ausgewachsene, gesunde Kühe aber selten in das Beuteschema der Wölfe. Frischgeborene, noch unbeholfene Kälber, können – vor allem bei vorübergehender Abwesenheit des jeweiligen Muttertieres – von Wölfen angegriffen werden.
Bei den Rindviehherden kommen nebst dem Einsatz von Herdenschutzhunden vor allem der Terminierung der Abkalbungen und der Herdenführung grosse Bedeutung zu. Abkalbungen sollten innerhalb des Herdenverbandes in einer überschaubaren Umzäunung stattfinden, so dass sich das Muttertier nicht absondern kann und in einer Bedrohungslage die gesamte Herde anwesend ist. Da in Steillagen die Gefahr besteht, dass frischgeborene Kälber unter dem Zaun heraus rollen, sind diese Weiden nach Möglichkeit terminlich anders zu nutzen o- der die Abkalbungstermine wie erwähnt zu verschieben.
Eine umfassende Herdenschutzplanung beansprucht von der Idee bis zur praktikablen Umsetzung viel Zeit und Nerven. Beginnen Sie früh genug damit.
Für Fragen zum Herdenschutz steht der Plantahof zur Verfügung.
Vorgehen bei einem gerissenen Nutztier
Wenn der Verdacht besteht, dass ein Nutztier durch einen Wolf gerissen wurde, ist der Wild- hüter/die Wildhüterin vor Ort umgehend für die Rissbeurteilung zu kontaktieren. Sinnvoller- weise ist der Plantahof zur gemeinsamen Erarbeitung möglicher Schutzmassnahmen schon vorher zu kontaktieren. Beim Fund eines getöteten Haustieres, darf der Kadaver nicht behändigt werden. Hunde ebenfalls fernhalten, damit eine saubere DNA-Probe entnommen werden kann (Spurensicherung). Wenn die Wildhut aufgrund des Rissbildes am getöteten Nutztier feststellt, dass der Wolf der Verursacher war, stellt sie ein Rissformular aus. Dieses braucht es, damit eine Entschädigung vom Kanton erfolgen kann. Die Todesursache von älteren Kadavern ist häufig nicht mehr feststellbar. Solche Tiere werden nicht entschädigt. Es ist sehr wichtig, dass tot aufgefundene oder verletzte Tiere sofort der Wildhut gemeldet werden.
Vorgehen bei verhaltensauffälligen Mutterkuhherden
Bei Verdacht einer Wolfspräsenz Meldung an den Wildhüter/die Wildhüterin vor Ort und an die Meldestelle für auffälliges Verhalten bei Rindvieh am Plantahof.
Entsorgung von Tierkadavern
Tierkadaver und Teile davon müssen gemäss Weisung zur Sömmerung 2020 des Amtes für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) unschädlich beseitigt werden. Dazu gehören auch Abortmaterial und Nachgeburten.
Für den möglichst schnellen Abtransport von anfallenden Tierkörpern bis zur Sammelstelle oder bis an eine gut befahrbare Strasse ist grundsätzlich der Alpverantwortliche zuständig. Dies gilt auch für den Abtransport per Helikopter. Nur in Ausnahmefällen und mit Einverständnis des Kantonstierarztes dürfen einzelne nicht seuchenverdächtige Kadaver von Schafen und Ziegen oder Teile von solchen vor Ort entsorgt werden, indem sie korrekt vergraben, das heisst mindestens mit einer 1,2 m hohen Erdschicht überdeckt werden. Die Stelle darf nicht sumpfig sein und nicht in der Nähe von Wasserläufen, Quellfassungen oder touristischen Infrastrukturen liegen.
Wie kann das Amt für Jagd und Fischerei (AJF) unterstützen?
Das AJF setzt das Wolfsmanagement im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen konsequent um. Wolfshinweise bitte umgehend der zuständigen Wildhut melden! Die Wildhut kann dabei jederzeit Auskunft geben über das Verhalten des Wolfes und zu aktuellen Wolfsereignissen, sofern sie davon weiss. Das AJF beabsichtigt in naher Zukunft nebst dem Alarmsystem für die Landwirte, die Imker und die Gemeindevertreter auch ein Info-Portal auf ihrer Homepage einzurichten. Dort sollen die Wolfsfeststellungen für jedermann ersichtlich sein.
Mit gezielten Vergrämungsaktionen in unmittelbarer Nähe von Nutztierherden oder Siedlungen wird bei verhaltensauffälligen Wölfen versucht, negative Erinnerungen zu hinterlassen damit sie die Nähe des Menschen und der Nutztiere meiden.
Der Wildhüter/die Wildhüterin soll ein vertrauenswürdiger Partner sein, der versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten dem betroffenen Tierhalter zu helfen. Dabei ist eine faire Kommunikation wichtig. Durch gegenseitiges Verständnis können auch in schwierigen Situationen gute Lösungen gefunden werden. Niemand will Wölfe, die Nutztiere reissen!
Leben mit dem Wolf heisst – Wölfe regulieren und erziehen!
Das revidierte Jagdgesetz dient dazu, verschiedene Wildtiere und ihren Lebensraum besser zu schützen. Zum anderen bietet es eine pragmatische Lösung im Umgang mit dem Wolf. Es ermöglicht den Kantonen, die Wolfbestände zu regulieren. Der Wolf bleibt aber eine geschützte Tierart. Ziel dieser Neuerung ist, dass die Wölfe die Scheu vor Menschen und Siedlungen bewahren, weniger Schäden an Schafen und Ziegen entstehen und so die Zahl der Konflikte abnimmt.
Wir wünschen den Bauern und Bäuerinnen einen guten und unfallfreien Sommer.
Steckbrief Wolf
Wie erkenne ich einen Wolf?
Europäische Wölfe (Grauwolf) haben eine typische helle Gesichtsmaske, die von der Schnauze bis zur Kehle reicht. Der Wolf ähnelt in der Gestalt einem Schäferhund, ist jedoch hochbeiniger und schlanker, mit etwas kürzerem Schwanz und weniger spitzigen Ohren. Er kann 7-12 Jahre alt werden und wiegt 30 – 40kg.
Der Grauwolf ist seit 1995 aus Italien wieder in die Schweiz eingewandert. Heute lebt er in den Alpen und Voralpen, breitet sich aber auch im Flachland aus. Ein Rudel bewegt sich in ca. 220- 300 km², je nach Beuteangebot und Wolfsdichte. Anfangs Mai kommen 1 – 9 Welpen zur Welt. Die Mortalität bei den Welpen ist jedoch hoch. Im Alter von 10 Monaten bis 2 Jahren wandern vor allem männliche Tiere ab. Dies über weite Strecken, bis zu 1500 km.
Der typische Pfotenabdruck eines erwachsenen Wolfes ist 8 -12 cm lang, hat eine länglich- ovale Form und die Krallen sind deutlich zu erkennen. Nur Anhand einzelner Pfotenabdrücke lassen sich Wolf und Hund nicht unterscheiden. Wölfe laufen jedoch im geschnürten Trab.
Der Wolfskot enthält meistens Haare und Knochenstücke von Beutetieren und ist in der Regel 2-3 cm dick und 15-20 cm lang. Er wird zur Reviermarkierung häufig auf Wegen abgesetzt. Der Geruch ist Arttypisch und ausgeprägt streng.
Was mache ich, wenn ich einem Wolf begegne?
Wenn Sie einem Wolf begegnen, bleiben Sie ruhig stehen. Bemerkt der Wolf, dass Sie ihn entdeckt haben, zieht er sich in der Regel zurück oder flieht. Wenn der Wolf nicht sofort weg- läuft, machen Sie mit bestimmter Stimme auf sich aufmerksam. Versuchen Sie auf keinen Fall, sich dem Wolf zu nähern, auch nicht, um das Tier zu fotografieren (Merkblätter unter www.wolf.gr.ch). Bezüglich der Gefahr für den Menschen ist zu erwähnen, dass Wölfe, die in freier Wildbahn aufwachsen und dort leben, nicht grundsätzlich gefährlich sind. Gefährlich kann es werden, wenn sich Wölfe an den Menschen gewöhnen und seine Anwesenheit gar mit Futter in Verbindung bringen. Wölfe können aggressiv reagieren, wenn sie krank (Tollwut) oder verletzt sind, angefüttert wurden oder, wenn man sie in die Enge treibt.
Wie halten wir den Wolf fern?
Indem wir den Wölfen den Zugang zu sämtlichen Futterquellen verwehren, vermeiden wir viele unnötige Problemsituationen. Insbesondere auf den Alpen ist der Abfall bis zur Entsorgung unter Verschluss zu halten. Abfallsäcke nicht im Freien deponieren! Küchenabfälle und Essensreste nicht in Siedlungs-/Hüttennähe oder im Wald entsorgen, auch in kleinen Mengen nicht! Potenzielle Futterquellen sind zu vermeiden (tote Kälber, Nachgeburten, usw.).
Katzen- und Hundefutter nicht im Freien anbieten, auch nicht bei Rinder-, Pferde- oder Kleintierställen. Kleintiere (z.B. Hühner) genügend schützen.
Meldestelle für auffälliges Verhalten bei Rindvieh, Töni Gujan: +41 81 257 60 85
Herdenschutz, Jan Boner: +41 79 699 82 12 Kontakt ALG (Alpwirtschaft)
Quelle: Kanton Graubünden
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